Pfarrer als Bauarbeiter – vor 50 Jahren in Schwarze Pumpe und Lübbenau

In Lübbenau-Neustadt trafen sich am 28. und 29. Oktober neunzehn Männer und Frauen zur Feier des 50jährigen Jubiläums des Beginns der Teamarbeit der Arbeitpfarrer in Schwarze Pumpe und Lübbenau. Am Abend waren auch Gemeindeglieder aus der Kirchengemeinde eingeladen. Sie hörten gespannt von den Berichten über die Anfänge des Aufbaus ihrer Gemeinde
Die Teilnehmer gedachten der Freunde, die inzwischen heimgegangen waren: Sie dachten an Pfarrer Bruno Schottstedt, OKR Eckhard Schülzgen und Pfarrer Carl-Hans Schlimp.
Vor 50 Jahren, im Oktober 1958 meldeten sich fünf junge Theologen nach dem 1. Examen in Schwarze Pumpe bei Baubetrieben. Sie kamen aus Berlin und aus Sachsen. Sie begannen, bei Aufbau des Kraftwerks mitzuarbeiten und trafen sich abends in ihrem Team, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Außerdem machten sie in der Gemeinde Besuche oder hielten Gottesdienst und Unterricht. Zu gleicher Zeit fingen vier andere Theologen in Lübbenau auf der Baustelle des Kraftwerks an zu arbeiten. Sie bildeten eine Wohngemeinschaft im Pfarrhaus. Sie probierten aus, wie man in einem Baubetrieb als Christ leben kann. Später wurden sie durch Maßnahmen der Stasi an beiden Orten entlassen.
In Lübbenau gingen sie in andere Betriebe. Und sie gründeten eine eigene Neubaugemeinde in Lübbenau-Neustadt. Einer wurde später Transportingenieur. In Schwarze Pumpe blieb ein Zweierteam. Viele Kontakte zu Bauarbeitern entstanden. Andere gingen an andere Orte und fingen dort auch wieder als Arbeiterpfarrer an, so in Berlin-Schöneweide und in Berlin-Grünau. Neue Theologen kamen hinzu. Andere Teams entstanden in Nizzahn und Treuenbrietzen. In Schwarze Pumpe sollte keine Evangelische Kirche gebaut werden. So wollte es die Partei. Doch unter schwierigsten Umständen wurde eine Scheune als Gemeindehaus mit Kirchsaal umgebaut. Die Pfarrer Hans Kühn und Jürgen Michel gingen später in ein Neubaugebiet in Erfurt, wo sie ihre Erfahrungen aus der Bauarbeiterzeit in die Gemeindearbeit einbrachten. Wolfram Schulz ging später in ein Neubaugebiet nach Guben. An vielen Stellen wurden die Neuzugezogenen besucht. Es entstanden Hauskreise, wo keine Kirche zur Verfügung stand. Gemeindeseminare ermöglichten es, gesellschaftliche Fragen auf dem Hintergrund biblischer Texte zu bedenken
Horst Berger wurde Leiter des missionarischen Dienstes in Ost-Berlin, später leitete er die Lebensberatung im Berliner Dom. Eckhard Schülzgen wurde Direktor der Gossner-Mission Ost, später Dezernent für Ökumene im Konsistorium in Berlin.
Klaus Galley ging in das neugebaute Wohngebiet der Gemeinde in Berlin-Fennpfuhl.
Norbert Haas wurde Pfarrer in Magdeburg. Christoph Neuhof ging nach Schwarzenberg ins Pfarramt. Manfred Dietrich ist heute noch bei Führungen in der Dresdner Frauenkirche beteiligt.
Und einer, der nicht ins Pfarramt wechselte, Wolfgang Seeliger, wurde nach der Wende zum Bürgermeister in Lübbenau gewählt, in der Stadt, in der eine evangelische Neubaugemeinde neue Wege der Gemeindearbeit erprobt hatte. Als Bürgermeister half er, die Hochhäuser zurückzubauen, als die Abwanderung stärker wurde, so dass die Häuser wohnlicher wurden.
Viele Impulse sind von diesen Arbeiterpfarrerteams ausgegangen bis nach Kärnten in Österreich, wo Pfarrer Carl-Hans Schlimp, der in Eisenhüttenstadt und in Schwarze Pumpe seine ersten Erfahrungen sammelte, später als Pfarrer und Leiter der Evangelischen Akademie tätig war. Vor fünfzig Jahren fing alles an. Eine reiche Ernte ist daraus geworden.